Gebrauchtkauf

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'''''Die Räder lassen sich grob altersmässig gruppieren:'''''
 
'''''Die Räder lassen sich grob altersmässig gruppieren:'''''
  
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Es gibt eine offizielle Generationengruppierung bei Bromptons: MK 1, Mk 2, MK 3 (ab späte 90er Jahre), Mk4 (ab 2004) - die vernachlässigen wir hier mal grosszügig, da wir uns ja vorwiegend auf den Nutzwert fokussieren wollen und weniger Bromptonhistorie betreiben. Im Folgenden also eine subjektive, pragmatische Gruppierung:
  
 
- '''neue oder neuwertige Räder ab 2013:''' Diese haben bereits alle wesentlichen aktuellen Ausstattungsmerkmale. Gebraucht macht sich bei diesen Rädern unterschiedliche Ausstattung am stärksten bemerkbar - die Besitzer haben den Anschaffungspreis wohl noch gut in Erinnerung. Importeure Voss verkauft hin und wieder Vorführ- und Messeräder, typischerweise mit rund 10% Abschlag auf den Listenpreis. Privatangebote sind etwas günstiger - 20% bis (mit viel Glück) 30% günstiger als Neupreis sind realistisch. Ein guter Kauf.
 
- '''neue oder neuwertige Räder ab 2013:''' Diese haben bereits alle wesentlichen aktuellen Ausstattungsmerkmale. Gebraucht macht sich bei diesen Rädern unterschiedliche Ausstattung am stärksten bemerkbar - die Besitzer haben den Anschaffungspreis wohl noch gut in Erinnerung. Importeure Voss verkauft hin und wieder Vorführ- und Messeräder, typischerweise mit rund 10% Abschlag auf den Listenpreis. Privatangebote sind etwas günstiger - 20% bis (mit viel Glück) 30% günstiger als Neupreis sind realistisch. Ein guter Kauf.
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Es lohnt sich in der Regel Originalersatzteile zu verbauen - viele Teile am Brompton sind in irgendeiner Form speziell und mit Originalteilen kann man sicher sein dass sie passen. Bei Zügen, Sätteln, Lenkergriffen etc. kann man problemlos auf normale Standardware zurückgreifen, ebenso gibt es zahlreiche Anbieter, die Spezialteile für's Brompton herstellen. Meist fällt das aber schon unter Tuning und sprengt bei weitem den Rahmen einer Kaufberatung...
 
Es lohnt sich in der Regel Originalersatzteile zu verbauen - viele Teile am Brompton sind in irgendeiner Form speziell und mit Originalteilen kann man sicher sein dass sie passen. Bei Zügen, Sätteln, Lenkergriffen etc. kann man problemlos auf normale Standardware zurückgreifen, ebenso gibt es zahlreiche Anbieter, die Spezialteile für's Brompton herstellen. Meist fällt das aber schon unter Tuning und sprengt bei weitem den Rahmen einer Kaufberatung...
  
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== Exkurs: Schaltungen, Entfaltung, Auf- und Umrüsten von Gangschaltungen (etwas technisch) ==
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Da die Gangschaltung und daraus resultierend einen wesentlichen Einfluss auf Einsatzmöglichkeiten und Fahrspass mit dem Brompton haben steigen wir da im Folgenden etwas tiefer ein. An einigen Stellen wird das ziemlich technisch - wem der Schädel brummt der kann dieses Kapitel auch getrost überspringen... Es lohnt sich jedoch die Mühe zu investieren - die Schaltungen haben sich über die Jahre geändert, ein Wechsel ist eine der teureren Umbaumassnahmen und mit der richtigen Schaltung macht das Brompton gleich doppelt so viel Spass...
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'''Einstieg'''
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Die Gangschaltung ist eines der auf den ersten Blick abschreckenden Dinge am Brompton: Für ein Rad mit völlig veralteter Dreigang-Nabe so viel Geld bezahlen? Wo man anderswo doch für sehr viel weniger Geld 27 Gänge und mehr bekommt? In der Praxis stellt sich die Schaltungsproblematik längst nich so dramatisch dar, ein bisschen Wahrheit steckt jedoch drin.
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Brompton ist eine britische Firma und als solche verbauen sie mit etwas Patriotismus fast ausschliesslich britische Teile. Das heisst die Schaltungen kommen von Sturmey Archer - bis die 2000 Pleite gingen. Danach wurden Schaltungen von Sachs (heute SRAM) verbaut, bis Sturmey-Archer vom neuen Eigner Sunrace wiederbelebt wurde, seitdem ist das Brompton wieder ein bisschen britischer...
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'''warum hat das Brompton eine Nabenschaltung?'''
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Technisch gesehen ist beim Brompton der Platz im Hinterbau beschränkt, genauer gesagt die Einbaubreite. Die Naben des Brompton sind schmaler als bei normalen grossen Rädern - eine klassische Kettenschaltung an der Hinterachse fände also nur unter Mühen Platz. Es gibt Umbauten, die gehen aber typischerweise mit heftigen Modifikationen des Hinterbaus einher. Zudem ist der Abstand der Achse des Bromptons zum Boden durch die kleinen Räder eingeschränkt, ein Umwerfer am Hinterrad also längenmässig eingeschränkt. Da das Brompton aufgrund des Faltprinzips mit einschwenken des Hinterbaus einen automatischen Kettenspanner benötigt um die Kettenlänge auszugleichen beim Falten entsteht ein zusätzliches Problem bei Einbau einer Kettenschaltung: Bei einer Kettenschaltung sind die hinteren RItzel unterschiedlich gross, dadurch entstehen die unterschiedlichen Übersetzungen. Für die unterschiedlichen Ritzelumfänge wird eine unterschiedliche Kettenlänge benötigt - andernfalls würde die Kette auf den kleinen Ritzeln durchhängen. Diesen Längenunterschied gleicht der hintere Umwerfer aus - er ist gleichzeitig ein Kettenspanner. Beim Brompton muss aber nun zusätzlich die Kettenspannung beim Falten ausgeglichen werden - der hintere Umwerfer müsste einen deutlich grösseren Längenunterschied handeln können als bei einem Nichtfaltrad. Dazu müsste er länger sein (etwa wie bei einem Mountain-Bike. Da kommt dann wieder der geringe Bodenabstand ins Spiel.... Kurz: Eine Nabenschaltung ist um vieles einfacher zu verbauen beim Brompton. Als es entworfen wurde in den späten 70er Jahren war das für diese Fahrradkategorie auch State of the Art und Briten sind bekanntlich ein klein wenig konservativ...
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'''warum hat das Brompton dann trotzdem eine Kettenschaltung?'''
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Eine Dreigangnabe bietet nur ein eingeschränktes Übersetzungsspektrum. In der Ebene mag das ausreichen, am Berg verhungert man aber schnell. Die Sprünge zwischen den einzelnen Gängen dürfen auch nicht zu gross sein (dazu weiter unten mehr) und so erwies sich die 5-Gang-Nabe von Sturmey Archer als segensreiche Erfindung. Als Sturmey Archer insolvent ging gab es diese Schaltungen nicht mehr und Brompton hatte ein Problem - konnte man doch das bisherige High-End-Brompton nicht mehr anbieten. Als Ausweg kombinierte man eine Sachs-Dreigangnabe mit einer 2-fach Kettenschaltung, die Brompton selbst entworfen hatte. Dieses Schaltungsprinzip nennt sich "Half-Step" und wurde auch früher schon verbaut, unter anderem von Sachs selbst in den 80ern als Nachrüstlösung angeboten für normale Räder. Da nur 2 Ritzel hinten zum Einsatz kommen reicht die Breite des Brompton-Hinterbaus aus, da der Grössenunterschied der beiden Ritzel nur wenige Zähne beträgt umgeht man die oben beschriebenen Probleme mit der nötigen Länge des Umwerfers. Problem pragmatisch gelöst. Allerdings hat das seinen Preis: Zunächst mal muss sich der Bromptonaut daran gewöhnen die Gänge mit zwei Halthebeln abwechselnd mit der linken und der rechten Hand zu schalten. Das ist etwas seltsam und verwirrend, funktioniert nach kurzer Eingewöhnung für die meisten Leute aber ganz gut. Schwerwiegender ist, dass die Übersetzungsbandbreite der Dreigangschaltung durch die Halfsteplösung nur geringfügig erweitert wird - kein Wunder, ist die Nabe doch gar nicht dafür konstruiert worden. Die Lösung bietet also eine etwas höhere Gangspreizung und eine etwas feinere Abstufung als eine reine Dreigangnabe, wirklich befriedigend ist das aber nicht.
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'''Und warum gibt es diese unsinnige Schaltung dann heute immer noch?'''
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Das Problem der Halfstepschaltung ist Brompton natürlich ebenfalls klar gewesen. Als Sturmey Archer wieder im Geschäft war entwickelte Bromton daher eine Dreigang-Nabe, die speziell für den Einsatz mit einer Halfstep-Schaltung entwickelt wurde. Diese Nabe hat eine erheblich grössere SPreizung (Übersetzungsbandbreite) als eine herkömmliche Dreigangschaltung und dementsprechend grosse Gangsprünge. Ohne die Kettenschaltung als Ergänzung lässt sie sich nicht sinnvoll fahren. Dafür hat das System eine Spreizung von respektablen 302% (Unterschied zwischen grösstem und kleinstem Gang). Eine herkömmliche Dreigangnabe hat im Vergleich 178%, die "alte" Halfstepschaltung hat 213%, die Fünf-Gang-Sprinter 225%.
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Diese Lösung ist bekannt als Brompton-Wide-Range-Nabe (kurz BWR) und wird seit 2009 als Sechsgang-Variante an neuen Bromptons verbaut. Der Übersetzungsbereich entspricht in etwa dem einer modernen 8-Gang-Nabenschaltung (wie z.B. der Shimano Nexus oder Alfine), allerdings ist sie erheblich leichter. Die BWR wiegt mit 940 Gramm nur knapp 200 Gramm mehr als die Dreigangnabe, eine 8-Gang-Nabe von Shimano oder Sturmey Archer bringt dagegen rund 1500 g auf die Wage. Wenn man sich nun in Erinnerung ruft, dass die Superlight-Titanausführung des Brompton 720 Euro Aufpreis kostet bei aktuell 740g Gewichtsersparnis wird einem klar, dass die BWR alles andere als eine dumme Lösung ist. Nur die skurille Bedienung mit den beiden Lenkerschaltern ist geblieben.
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'''Wozu dieser Gewichtsfetischsmus - was macht ein Kilo Mehrgewicht schon aus?'''
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Beim Gewicht gelten bei Falträdern (mal wieder) andere Gesetze als bei "grossen" Rädern. Während diese selten den Erdboden verlassen, ein Mehrgewicht sich also "nur" in erhöhtem Kraftaufwand beim Treten bemerkbar macht, werden Falträder mit schöner Regelmässigkeit getragen. In die Wohnung, in den Zug, in Büro etc. etc.. Ein Kilo Mehrgewicht macht da einen gewaltigen Unterschied, auch wenn man das instinktiv gar nicht meinen sollte.
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Ein sehr einfacher Weg um Gewicht am Brompton zu sparen ist übrigens die Zwei-Gang-Schaltung - sie wiegt lediglich 190g. Gegenüber der BWR spart man also 750g, gegenüber der 3-Gang Schaltung 560g. Auch wenn man es nicht meinen sollte: Zwei Gänge reichen in der Ebene vollkommen aus, einer zum Anfahren und für leichte Steigungen, einer für die Geschwindigkeit, wenn man einmal ins Rollen gekommen ist. Die 3-Gang Schaltung bietet demgegenüber keinen grossen Mehrwert. In Deutschland sind 2-Gang-Bromptons am Gebrauchtmarkt allerdings kaum vertreten, in England dagegen sehr gängig.
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'''Das hört sich toll an - kann ich die BWR nachrüsten?'''
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Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip ja - nur leider ist das nicht unbedingt ökonomisch. Am einfachsten ist das Aufrüsten bei Bromptons die bereits einen hinteren Umwerfer verbaut haben - also bei Rädern mit einer Sechs-Gang-Schaltung. Dort beschränkt sich der Aufrüstvorgang auf den Tausch des Hinterrads, was auch ein Laie problemlos hinbekommen sollte. Ein neues Hinterrad mit der BWR kostet rund 220 Euro (2014) bei Kauf bei einem der englischen Versandhändler. Bei Modellen mit Torpedo-Schalthebel muss möglicherweise noch ein aktueller Brompton-Schalthebel verbaut werden und evtl ein neuer Schaltzug.
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Bei Modellen mit einer Zwei-Gang-Schaltung wird zusätzlich zum obigen Hinterradkit noch Hebel, Kabelage und diverse Gegenhalter für die Dreigangschaltung benötigt.
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Modelle mit Dreigangnabe nach Bj. 2001 brauchen zusätzlich noch den hinteren Umwerfer anstelle des bisherigen Kettenspanners. Der Aufrüstkit inklusive des zweiten Schalthebels kommt auf rund 300 Euro (2014), ebenfalls im englischen Versandhandel. Auch hier muss bei Modellen mit Torpedo-Schalthebel möglicherweise noch ein aktueller Brompton-Schalthebel verbaut werden und evtl ein neuer Schaltzug.
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Modelle vor 2001 mit den alten Sturmey-Archer-Schaltungen (3- oder Fünfgang) oder ganz ohne Schaltung sind schlechter dran: Bei diesen Modellen fehlt am Hinterbau das Anlötteil um den hinteren Umwerfer befestigen zu können - kein Wunder, den gab es ja auch noch gar nicht damals... Einziger Weg zur BWR besteht hier zusätzlich im Tausch des Hinterbaus gegen ein aktuelles Exemplar - das lohnt sich finanziell nicht.
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In der Summe zeigt sich auch hier wieder: Mag eine solche Umrüstung bei einem vorhandenen Brompton noch zu rechtfertigen sein ist es für den Gebrauchtkäufer erheblich schlauer gleich ein Rad mit passender Schaltung zu kaufen. Das ist meistens billiger als zuerst ein Rad zu kaufen und dann nachzurüsten - Ausnahmen bestätigen die Regel.
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'''Blöd - welche anderen Aufrüstmöglichkeiten für die Schaltung habe ich denn sonst?'''
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Recht beliebt waren und sind Umbauten auf 8-Gang Nabenschaltung. Im Wesentlichen gibt es zwei Varianten: Shimano Nexus und Sturmey Archer. Der Einbau der Nexus erfordert ein (mässiges) Aufweiten des Hinterbaus und eine geringfügige Modifikation der Shimano-Nabe. Für Selbermacher ist das schon sehr anspruchsvoll. Juliane Neuss bietet den Umbau an und hat reichlich Erfahrung damit.
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Alternativ lässt sich eine Sturmey-Archer 8-Gang-Nabe verbauen, hier kommt man ohne Aufweitung des Hinterbaus aus, allerdings benötigt man ein erheblich kleineres Kettenblatt vorne und der Kettenspanner muss modifiziert werden. Diesen Umbau macht der Faltraddirektor in Berlin, Selbermacher können fertige Umrüstkits z.B. in England bei tillercycles oder bei Ben Cooper (kinetics) kaufen.
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Die Kosten für diese Umbauten liegen typischerweise bei über 400 Euro, das ist also eine gehörige Investition. Wer sich mit der Halfstepschaltung nicht anfreunden kann findet diesen Weg vielleicht trotzdem gut.
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Billiger ist der Umbau auf den Nachfolger der Sturmey-Archer Sprinternabe, die SRF-5. Die Teile muss man sich selbst zusammenstellen, z.B. bei SJS-Cycles, der Umbau ist im Bromptonautenforum beschrieben. Kostenmässig kommt man da mit ca. gut 200 Euro davon.
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Wer noch mehr Bandbreite der Übersetzung benötigt und nicht aufs Geld schauen muss der kann auch eine Shimano Alfine 11-Gang oder sogar eine Rohloff 14-Gang-Nabe einbauen (lassen). Dafür sind dann heftigere Modifikationen am Hinterbau erforderlich und billig ist das auch nicht. Den Alfine-Umbau gibt es bei tillercycles und bei Fudge-Cycles, den Rohloff-Umbau z.B. bei Ben Cooper (Kinetics) oder Steven Parry.
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'''Und welche Schaltung soll ich jetzt nehmen?'''
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Klare Empfehlung: BWR, 2-Gang oder Sprinter sind die Favoriten, in dieser Reihenfolge. Das heißt nicht, das die anderen Schaltungen nicht fahrbar wären, aber wenn Du die Wahl haben solltest....
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'''Was sollte ich sonst noch über Schaltungen am Brompton wissen?'''
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Die Schaltungen sind ab Werk eigentlich alle zu lang übersetzt. Es empfiehlt sich durchgängig bei allen Schaltungsvarianten die verkürzte Übersetzung zu wählen, die Brompton bei Neukauf anbietet. Bei den Modellen ab 2013 mit dem geschraubten Kettenblatt ist der Wechsel auch nachträglich schnell und billig gemacht, bei älteren Modellen muss gleich die ganze Tretkurbel gewchselt werden. Nicht lebensnotwendig, aber empfehlenswert.
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"Jetzt bin ich verwirrt - ich will doch schnell fahren. Warum soll ich dann eine kürzere Übersetzung wählen? Und was soll der ganze Kram mit Spreizung und Entfaltung?"
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Verstehe. Das wird jetzt ein bisschen eine längere Erklärung...
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Die Geschwindigkeit des Rades wird bestimmt durch Trittfrequenz * Entfaltung.
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Die Trittfrequenz heisst wie oft pro Minute Du das vordere Kettenblatt drehst pedalierenderweis. So zwischen 60 und 90 Umdrehungen ist man da daheim als weder Übersportler noch Verkehrshindernis, was auch für die Knie einen gesunden Wert darstellt. Zum Berechnen der Entfaltung nimmt man gerne eine 70 an, das ist halbwegs realistisch, wenn man seinen persönlichen Wohlfühlwert nicht kennt. Das wäre also der eine Faktor.
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Die Entfaltung bedeutet: Wie viel Strecke legt mein Rad bei einer Kurbelumdrehung zurück. Das wiederum wird bestimmt durch den Abrollumfang des Rades (der ist konstant), das hintere Kettenritzel und das vordere Kettenblatt (genauer gesagt das Verhältnis der beiden Grössen zueinander), variiert durch die Nabenschaltung. Typischerweise dreht sich das Rad schneller als Du die Kurbel, deswegen heisst das Übersetzung. Wär's umgekehrt hiesse es Untersetzung, das fühlt sich aber komisch an, ist arg langsam und man muss aufpassen, dass man nicht runterfällt...  :lol:
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Die kürzere bzw. längere Übersetzung ab Werk beim Brompton wird über das vordere Kettenblatt realisiert: Standard ist 50 Zähne, länger ist 54 Zähne, kürzer ist 44 Zähne. Die Zweigang hat von Haus aus die längere Übersetzung / das grössere Kettenblatt. Daraus ergeben sich die im Brompton Konfigurator genannten Prozentangaben für die Übersetzung. Die hinteren Ritzel kannst Du (in sehr engen Grenzen) auch noch später variieren.
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Je grösser nun das vordere Kettenblatt und je kleiner das hintere Ritzel desto mehr Strecke legst Du mit einer Kurbelumdrehung zurück, desto grösser ist also die Entfaltung. Durch die Nabenschaltung kommt jetzt (ausser beim 2-Gang) noch eine weitere Komponente hinzu, die innerhalb der Kettenblatt-Ritzel-Kombi die Übersetzung noch mal nach oben und nach unten ändert. Da gibt es einen direkten Gang und Über- bzw. Untersetzungen. Am Brompton gibt es davon insgesamt drei Gänge via Nabe. Weil das zu langweilig und eingängig  :) wäre kombiniert Brompton beim Sechsgangmodell eine Dreigang-Nabenschaltung mit einer Zweigang-Kettenschaltung und erzielt so nicht nur Sechs Gänge sondern in guter britischer Tradition auch maximale Verwirrtheit des Benutzers, schräge Bedienung und technische Skurrilität. Die Zweigangschaltung ist also eine Sechsgangschaltung ohne Nabenschaltung und mit standardmässig grösserem Kettenblatt, die Dreigangschaltung wiederum eine Sechsgangschaltung ohne Kettenschaltung und mit einer anderen (!) Dreigangnabenschaltung (mit geringerer Spreizung). Das erschien Brompton als der sicherste Weg, die Verwirrung auch über die Sechsgang-Schaltung hinaus gewährleisten zu können. Nur um sicherzugehen haben sie darüber hinaus noch die Wahlmöglichkeit für die verschiedenen Kettenblätter ermöglicht. ;)
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In der Summe heisst das, die längere Übersetzung ist bei gleicher Trittfrequenz schneller, braucht aber bei identischer Geschwindigkeit (im selben Gang) mehr Kraft und ist nicht so bergtauglich. Dafür kannst Du theoretisch schneller fahren (weil Du über eine bestimmte individuelle Triffrequenz einfach nicht hinauskommst und dann nicht weiter beschleunigen kannst. Kennt man - wenn mal alt genug ist - aus der Kindheit vom Bergabfahren, wenn die gute alte Torpedo Dreigangnabe ab 70 km/h am VDO-Tacho einfach nicht weiter beschleunigen wollte bei einer gefühlten Trittfrequenz von 140  :lol: ). Für die kürzere Übersetzung gilt das gleiche umgekehrt: Bergtauglicher, geringere theoretische Maximalgeschwindigkeit. Theortisch sind die Geschwindigkeiten deswegen weil das Brompton von Haus aus recht lang übersetzt ist und diese Geschwindigkeiten bei der Standardübersetzung in der Praxis eher nicht gefahren/erreicht werden. Daher wird generell die kürzere Übersetzung empfohlen, dadurch gewinnt man bergtauglichkeit und verliert nach oben nicht wirklich was.
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Die Entfaltungen der einzelnen Varianten sind wie wie folgt (in Metern):
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BWR 6 Speed 50Z (Kettenblatt) 13/16 (Ritzelpaar hinten) Standard 2.63 3.23 4.11 5.06 6.45 7.94 (gesamt 302% Spreizung, Gangabstand 13% - 15% -13% - 15% - 13% )
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BWR 6 Speed 44Z 13/16 -12% 2.31 2.84 3.62 4.45 5.68 6.98
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BWR 6 Speed 44Z 14/17 - 6% 2.17 2.67 3.40 4.18 5.34 6.56 (nicht ab Werk, eigener Ritzelumbau)
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2-Gang:
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4,45m - 5,93m (133%)
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4,11 - 5,49m 7% leichter
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3,62 - 4,83m 18% leichter
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3-Gang:
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3,79m - 6,76m (178%)
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12% (3,34 - 5,94m) oder 18% (3,10 - 5,52m) leichter oder 8% (4,10 - 7,29m) schneller
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Die '''Spreizung''' gibt an, welche Bandbreite an Übersetzung Dir zur Verfügung steht, sprich wie weit auseinander die Extreme Deiner Fahrstecke sein können (z.B. steil bergauf vs. deftig bergab mit Treten). Die '''Gangabstände''' geben Dir die Sprünge zwischen den Abstufungen dazwischen an, die Dir Deine Schaltung ermöglicht. Gleichmässige Abstände in % sind gut, grosse Unterschiede zwischen den Sprüngen eher weniger. Je kleiner die Gangsprünge insgesamt sind (und desto mehr Gänge Du hast) desto gleichmässiger kannst Du unabhängig vom landschaftlichen Geläuf vor Dich hin treten. Der Ganze Krempel dient dazu, in einem möglichst unterschiedlichen Gelände eine möglichst konstante '''Trittfrequenz''' fahren zu können - das deswegen weil eine hohe und konstante Trittfrequenz kräfte- und knieschonender ist als eine (zu) niedrige (die viele Leute gewohnheistsmässig fahren). Hinzu kommt, dass das Brompton nicht gerade das ideale Rad für den Wiegetritt bergauf ist (der eh nur eine Notlösung darstellt) aufgrund der langen Hebelkräfte am Lenker, eine leichtere Übersetzung also sehr hilfreich ist. Bergab fährt man mit dem Brompton aufgrund der kleinen Räder auch nicht wahnsinnig schnell - nicht zuletzt weil die Felgenbremsen bei den kleinen Reifen enorme Temperaturen produzieren können die wiederum zu platzenden Schläuchen führen können. Will man nicht haben, nicht am Stilfser Joch und auch sonst nicht.  :shock:
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Spreizung und Anzahl der Gänge sind also ebenso wie die Wahl der Übersetzung deutlich vom geplanten Einsatzgebiet abhängig. Mit der 6-Gang mit verkürzter Übersetzung bist Du ziemlich universell aufgestellt. Die Zweigang lässt einen "Berggang" vermissen, ist also eher nix für die Alpen (noch nicht mal unbedingt für Mittelgebirge), dafür profitierst Du vom geringeren Gewicht, beim Fahren und vor allem beim Tragen. Beim Zweigang musst Du ausserdem (wie teilweise auch beim Dreigang) damit leben, dass die Trittfrequenz eben nicht immer konstant ist sondern im Gegentum variabel weil die Zahl der Gänge limitiert ist und die Sprünge zwischen den einzelnen Gängen recht hoch. Wenn Du eh nur in der Ebene die 300 Meter zum Bäcker fährst ohne Gegenwind ist das alles weitgehend egal. Je weiter und durch je ungleichmässigere Landschaft Du zu fahren gedenkst desto wichtiger wird das Rumgerätsel um die Ritzel.
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Um rauszufinden, was da für dich tatsächlich geschwindigkeitsmässig rauskommt kannst Du mal ritzelrechner.de besuchen oder einen Taschenrechner bemühen. Insgesamt kann ich den Rat zur verkürzten Übersetzung unterstützen: Solange es flach bleibt geht es mit der Standardübersetzung, am Berg verhungert man aber sehr schnell. Umgekehrt fährt man mit dem Brommi eher selten schneller als 30 Sachen und auch das nicht allzu häufig dauerhaft. Die Geschwindigkeit bekommt man aber auch mit der verkürzten Übersetzung noch hin.
  
  

Version vom 22. Juni 2014, 15:12 Uhr

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